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Athanassios Kaliudis

Warum der Laser für Industrie 4.0 elementar ist

D aten, Licht & das Werk der Zukunft: Die digitalisierte Produktion à la Industrie 4.0 braucht ein Werkzeug, das so ist wie sie – schnell, direkt und flexibel. Wie gut, dass es dieses Werkzeug schon lange gibt: Laserlicht.

Wer sich heute über die Produktion von morgen und übermorgen Gedanken macht, spricht von Datenauswertung, programmierten Algorithmen, intelligenten, hochflexiblen Werkstückströmen, vernetzten Maschinen. „Eine Frage allerdings bleibt oft unbeantwortet: Welche Werkzeuge setzen eigentlich all diese hoch vernetzten, flexiblen Arbeitsschritte am Werkstück um?“, sagt Andreas Gebhardt, Professor an der Fachhochschule Aachen und Vordenker der additiven Fertigung und der sogenannten Industrie 4.0. Das Problem ist: Die Welt der Daten ist immateriell, doch irgendwann müssen daraus Produkte werden, die man anfassen kann.

„Die Digitalisierung schreit nach einem Werkzeug, das so ist wie sie: schnell, direkt, flexibel und körperlos. Und das beschreibt ziemlich genau den Laser.“ Denn bei der Lasermaterialbearbeitung steht zwischen Daten und Form nur noch ein gebündelter Lichtstrahl. Und der kann alles: abtragen, auftragen, bohren, trennen, fügen, metallurgische Veränderungen herbeiführen, intrinsische Spannungen ins Glas bringen, Oberflächen aufrauen, glätten oder reinigen. Man sagt es, er tut es. Gebhardt: „Hinzu kommt einer der größten Vorteile von Lasern: Es gibt kein Material, das sie nicht bearbeiten können; Metalle etwa, Glas, Kunststoff, ja sogar Haut. Da sind Sie völlig frei.“

Die vier Aktionen der Revolution

Die Lasersysteme zogen in die Fabriken ein, lange bevor irgendjemand von vernetzter Fertigung oder Industrie 4.0 sprach. „Lasertechnik war von Anfang an digital, weil man sie ja nur numerisch steuern kann — datenbasierte Fertigung liegt sozusagen in ihrer DNS“, sagt Gebhardt. Jetzt entdecken viele Produktionsplaner, dass sie ja schon Erfahrung mit einem lange ausgereiften Industriewerkzeug haben, das bestens geeignet ist, um die neuen Anforderungen zu erfüllen. „Die Laserleute staunen jedenfalls nicht, wenn sie von Industrie 4.0 hören.“ Für alle anderen fühlt sich das wie eine Revolution an. Und diese Revolution vollzieht sich in vier Aktionen gleichzeitig:

  1. Produktionsketten mit Laser kommen, Produktionsketten mit mechanischen Werkzeugen gehen.
  2. Die Werkstücke selbst werden zu sprechenden Datenträgern.
  3. Bauteile verändern ihre Form per Datensatz.
  4. Bauteile entstehen komplett aus Datensätzen.
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Intelligente Produktion bedeutet: Die Maschine findet selbst heraus, was sie tun soll. (Foto: Detlef Göckeritz / Gernot Walter)

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Damit das funktioniert, braucht die Produktion hochflexible, leicht steuerbare Werkzeuge. (Foto: Jens Oswald / Gernot Walter)

Aktion 1: Der Kampf um Vielfalt

Marketingabteilungen wollen potenziellen Kunden immer das Passende bieten oder sie mit Sondereditionen überraschen. Produktionsplaner hingegen stöhnen, wenn sie ständig neue Varianten und kleine Losgrößen herstellen sollen. Besonders dann, wenn die Fertigung noch stark auf mechanische Verfahren setzt wie etwa Fräsen, Stanzen, Sägen oder Bohren. Dann schrauben sich die Kosten für die Werkzeug¬herstellung in die Höhe und Umrüstzeiten wachsen ins Absurde. Nicht selten dauert der Umbau länger als die anschließende Produktionsphase.

So war es zum Beispiel bei Zwilling, einem Messermacher aus Solingen. Nach dem Stauchschmieden hub eine Stanzmaschine die endgültige Klingenform aus dem Rohling. Zwilling hat aber nicht nur drei oder vier Klingenformen im Angebot, sondern Hunderte. Und es werden immer mehr, darunter auch kleinste Sonderserien wie etwa 285 Kochmesser mit Stahl aus Deutschlands höchster Eisenbahnbrücke. Ulrich Nieweg, Abteilungsleiter Vorfertigung bei Zwilling, erinnert sich: „Für jeden Artikel und jede Formänderung konstruierten wir ein neues Stanzwerkzeug. Das verschlang viel Zeit und Geld. Ebenso das regelmäßige Nachsetzen der Werkzeuge.“

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Mechanische Werkzeuge verabschieden sich nach und nach aus den Produktionsketten. Denn Laserlicht produziert auf Zuruf schneller, einfacher und flexibler. (Illustration: Gernot Walter)

Mehr Freiheiten durch Laserlicht

Das Problem löste dann eine Laserzelle, die von zwei Robotern be- und entladen wird − flexibel und frei programmierbar. Werkzeugherstellung und Umrüstzeiten gibt’s hier nicht mehr: „Heute schicken wir einen neuen Datensatz rüber. Das war’s.“ Ist der Laser hier nun billiger als die Stanzmaschine? Das ist die falsche Frage. Wer wie Zwilling den Herstellungsprozess und die Fertigungskette neu denkt, sieht, dass Laserlicht Freiheiten bringt, die mechanische Verfahren einfach nicht bieten können − weil sie eben mechanisch sind und ein Ding brauchen, das auf ein anderes Ding Einfluss ausübt.
Dieses Umdenken gibt es überall. Die Schweizer Maschinenbauer von THE Machines nutzen ein und dieselbe Laseroptik mit ein und derselben Strahlquelle, um Coils verschiedener Materialien und Größen zuerst präzise abzuschneiden und dann aneinanderzuschweißen. Das automatische Umschalten von „Trennen“ auf „Fügen“ dauert einen Wimpernschlag. Schere und WIG-Schweißer vermisst hier niemand.

Laseroptik statt mechanischer Bearbeitung

Die großen Automobilhersteller eliminieren schon seit Jahrzehnten immer mehr mechanische Bearbeitungsschritte nach der Umformpresse und bauen stattdessen Laserstationen auf. Die Industrie designt zum Beispiel ihre Autotüren inzwischen so, dass sie aus den gepressten Blechen eine maximale Anzahl verschiedener Modelle herausschneiden kann. Denn für den nachfolgenden Laser macht es keinen Unterschied, ob bei Autotür A der Winkel mal flacher sein soll oder bei Autotür B das Loch größer im Durchmesser. Man muss ihm nur per Datenpäckchen sagen, was er machen soll, und sofort setzt er es um.

Intelligenten Scanneroptiken genügt es, wenn sie Daten aus einer 3D-Simulationssoftware erhalten, und schon können sie die Schweißpunkte am Werkstück platzieren − ohne Teachen. Das Wort „umrüsten“ passt da schon lange nicht mehr: Die Maschine stellt sich auf das Werkstück ein.

Aktion 2: Es spricht!

Noch vernetzter geht es zu, wenn die Teile selbst dem Werkzeug sagen, wie sie bearbeitet werden wollen. Der Laserkopf steht dem Werkstück gegenüber und fragt: „Was darf’s denn sein?“ So zum Beispiel bei Argo-Hytos, einem deutschen Hersteller von Hydraulik- und Filtersystemen. Joachim Fischer, Leiter der Produktionsprozesstechnik sagt: „Wir fertigen viele Kleinserien und verfolgen dabei die Strategie der Zero-Set-up-Time.“
Etwa beim Laserdurchstrahlschweißen von Kunststofffiltern und -tanks. In der Bearbeitungszelle sitzt auf einem Roboterkopf eine Scanneroptik, die von einem Diodenlaser gespeist wird. Die Optik bewegt sich frei im Raum und setzt die nötigen Schweißpunkte. Jedes Teil, das hereinkommt, hat einen Barcode. Die Maschine liest ihn, weiß, womit sie es zu tun hat, ruft die hinterlegten Parameter aus der Datenbank ab und legt los.

Argo-Hytos arbeitet mit vielen verschiedenen Kunststoffen. „Oft ist selbst den Halbzeuglieferanten nicht klar, welche Lasertransparenz ihre Produkte haben.“ Da hilft ein in die Optik integriertes Pyro-meter, das die Temperatur in der Schmelze überwacht und dem Laserroboter in Echtzeit Daten liefert. Roboter und Strahlquelle passen die Leistung live an und sorgen für ein optimales Schweißergebnis. Fischer: „So produzieren wir wirtschaftlich und erreichen auch bei kleinsten Losgrößen das Qualitätsniveau einer Großserienfertigung.“

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Markierlaser schreiben Daten auf Werkstücke. Lasermaschinen lesen am Werkstück ab, wie sie es bearbeiten sollen, und setzen es sofort um. (Illustration: Gernot Walter)

Laser bringen Werkstücken das Sprechen bei

Lasersysteme sind jedoch nicht nur die perfekten Empfänger für die Botschaften der Werkstücke − sie können ihnen überhaupt erst das Sprechen beibringen. Der süddeutsche Maschinenbauer Chiron integriert in seine Bearbeitungszellen einen Markierlaser, der jedes produzierte Gutteil mit einem Datamatrix-Code versieht. Thomas Marquardt, Leiter Automatisierung bei Chiron: „Die üblichen Produktionsdaten sind Informationen wie Fertigungszeitpunkt, Bearbeitungsstation, Lieferantennummer und Auftragsnummer. Aber es lassen sich natürlich auch weitere Codes in die Markierung schreiben.“

Diese Codes könnten zum Beispiel einem Transportsystem sagen, wo das Teil hinwill, und der Steuerung der nächsten Bearbeitungsstation erklären, welches Programm sie abrufen soll. Das Werkstück wird so zum Träger seines eigenen Konstruktionsplans − der Beginn der echten Smart Factory.

Aktion 3: Daten ändern Bauteile

Mit der Möglichkeit, Geometrien aufzubauen, geht die moderne, datengetriebene Produktion in die nächste Runde. Prof. Andreas Gebhardt: „Additive Fertigung stellt die Herstellung vieler Bauteile vom Kopf auf die Füße.“ So etwa beim Hightech-Lohnfertiger Elfim in Süditalien. Dort bauen sie komplexe Schaufeln für verschiedene Impeller per Laserauftragschweißen an ein unspektakuläres Basisteil. Firmenmitgründer Michele D’Alonso: „Vorher hatten wir einen Metallblock und mussten über 70 Prozent des Materials in den Abfalleimer wegfräsen, um die Impellergeometrie zu erhalten. Eigentlich völlig verrückt. Jetzt addieren wir lediglich das nötige Material, statt alles Unnötige wegzunehmen.“

Der Prozess ist nicht nur ressourcenschonend und schneller, es kommen auch bessere Impeller dabei heraus. „Mit Laserauftragschweißen können wir andere, genauere Schaufelgeometrien konstruieren. Eine unserer Gasimpeller etwa schafft deswegen 50 Prozent mehr Fördermenge!“ Bei Elfim wird die Impellerschaufel nur anders hergestellt als vorher, sieht aber im Prinzip noch fast gleich aus.

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Anlagen fürs Laserauftragschweißen bauen komplexe Geometrien an Basisteile an. Die additive Fertigung stellt die Produktion vom Kopf auf die Füße. (Illustration: Gernot Walter)

Leichter Dank Laserauftragschweißen

 „Doch Konstrukteure auf der ganzen Welt entdecken, dass additive Fertigung ihnen die Möglichkeit gibt, Bauteile ganz neu zu denken“, stellt Gebhardt fest. Die Automobilindustrie arbeitet derzeit intensiv daran, das Design vieler ihrer Bauteile zu ändern und Gewicht zu sparen. Bislang nutzten einzelne Hersteller dieselben günstig und massenhaft produzierten Gussteile für alle ihre Automodelle: Teile aus Karosserie, Fahrwerk, Motorenkomponenten und Bremsscheiben etwa. Das heißt: Die Traglast der Teile richtet sich nach dem schwersten Modell. Der kleine Stadtflitzer fährt also mit Bauteilen, die für ihn gar nicht so schwer und stabil sein müssten. Das will man nun umdrehen. Künftig sollen sich die Bauteile am kleinsten Lastfall ausrichten. Das macht sie leichter und günstiger. Die Bauteile für die schwereren Modelle werden dann per Laserauftragschweißen partiell mit Schweißraupen verstärkt − die Verschmelzung von Individualisierung und Leichtbau.

Mit dieser Technik wollen die Konstrukteure künftig auch crashrelevante Bauteile aus hochfesten Stählen verbessern: Clever gesetzt, nehmen die Schweißraupen bei einem Unfall so viele Kräfte auf, dass das Grundbauteil dünner und leichter sein kann. Es sind sozusagen Sollhaltestellen im Blech. Kombiniert man sie mit per Laserglühen eingebrachten Sollbiegestellen, können die Ingenieure genau festlegen, wie sich diese Bauteile bei einem Crash zusammenfalten sollen. Das gezielte Verstärken von Bauteilen per Laserauftragschweißen ist gerade dabei, in die Serienfertigung einzuziehen.

Aktion 4: Idee - Licht - Objekt

Die additive Fertigung per pulverbettbasiertem Laserschmelzen treibt das Ganze auf die Spitze: Die mit Metallstaub geladene Maschine wartet nur auf einen Produktions¬befehl und fertigt, was auch immer verlangt wird. Die Ideen der Konstrukteure manifestieren sich unmittelbar. Gebhardt: „Der 3D-Druck ist die reine Verkörperung der datenbasierten Fertigung!“ Die Geometrie der Teile ist maximal frei: Neue, bessere Teile werden möglich.

So zum Beispiel beim deutschen Hersteller für Kühlschmierstoff-Versorgungssysteme Grindaix, der seine Schmierstoffdüsen per 3D-Druck verbessern wollte. Diese Düsen verteilen Kühlschmiermittel auf dem Bauteil während des Innenrundschleifens. Jetzt ist die Düse nach bionischen Prinzipien konstruiert und die Vorteile sind immens.

Dirk Friedrich, geschäftsführender Inhaber bei Grindaix: „Wir können die Düse mit geschwungenen, strömungsoptimierten Kanälen, die das Schmiermittel mit weniger Druckleistung in der richtigen Dosis genau dorthin bringen, wo es am Bauteil benötigt wird. Für unsere Kunden heißt das: Sie können ihren Schleifprozess jetzt schneller laufen lassen und bekommen sogar höhere Qualität!“ Prof. Andreas Gebhardt konstatiert: „Wir befinden uns gerade im Übergang von der Massenproduktion von Massenteilen zur Massenproduktion von Einzelteilen.“

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Beim pulverbettbasierten Laserschmelzen wird die Idee direkt zum Objekt, wie hier bei einem bionischen Wirbelsäulenimplantat. Mit ihren neuen konstruktiven Freiheiten ist das Verfahren die reine Verkörperung datenbasierter Fertigung. (Illustration: Gernot Walter)

Das merken auch Lohnfertiger. Und manche nutzen dies als ihre Chance. Die C.F.K. Kriftel GmbH in der Nähe von Frankfurt ist schon seit 2004 im 3D-Druck-Geschäft. Angefangen hatte es mit Rapid Prototyping, doch dabei blieb es nicht. Geschäftsführer Christoph Over: „Wir kriegen viele Aufträge, Fertigteile in der Laser-Metal-Fusion-Maschine zu drucken.“ C.F.K. Kriftel stellt beispielsweise Wirbelsäulenimplantate mit einer feinen Gitterstruktur her, die das Einwachsen des Gewebes erleichtern. „Wir stellen mit einer Ladung Metallpulver 120 bis 180 Implantate simultan in 20 Varianten her. Das geht schon langsam in Richtung Massenproduktion.“

Spezielle Bauteile an einem Stück ausdrucken

Andere Kunden kommen zu Over und wollen Bauteile endlich an einem Stück herstellen lassen. „Bei speziellen Düsen oder Anschlussplatten für Industrieautomation ist es oft so, dass sie aus mehreren Einzelteilen bestehen, die alle in unterschiedlichen Verfahren hergestellt und danach gefügt werden müssen. Wir drucken das Bauteil gleich komplett aus. In vielen Fällen können wir es dadurch sogar besser oder kompakter machen.“ Immer mehr Kunden entdecken die konstruktiven Freiheiten, die 3D-Druck bietet. Lohnfertiger mit entsprechenden Maschinen öffnen derzeit an jeder Straßenecke. Und immer mehr Ingenieure verfügen über das Know-how, speziell für 3D-Druck zu konstruieren.

Das Laser Zentrum Hannover etwa bietet seit diesem Jahr die ersten Kurse zur Fachkraft für 3D-Druck an. „Das konstruktive Wissen wird entscheidend sein. Da sind wir noch lange nicht am Ende“, sagt Christoph Over. Zwei weitere Zukunftsaufgaben sieht er außerdem: „Wir sollten den Kernprozess noch besser erforschen und verstehen, wie Laser und Metallpulver eigentlich interagieren. Und es wird wichtiger werden, die Maschinen zu automatisieren und in die Fertigungskette zu integrieren.“

Das Werkzeug der Datengesellschaft

Was die Werkzeuge in diesen Fertigungsketten angeht, hat Andreas Gebhardt eine eindeutige Vermutung: „Wer weiß schon, welche Anforderungen an die vernetzte Produktion in Zukunft noch aufkommen werden? Mein Tipp ist aber, dass man mit Lasersystemen sehr gut darauf vorbereitet ist. In vielen Fällen gilt: Wenn’s geht, geht’s mit Laser.“

Als der Laser in den 1960ern das Licht der Welt erblickte, kursierte der Spruch, er sei ein Werkzeug auf der Suche nach einer Anwendung. Es scheint, als habe er nun endgültig seine Bestimmung gefunden: als Werkzeug der Datengesellschaft. 

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