Das Stakkato der Stanzmaschinen und das regelmäßige Zischen und Surren der SheetMaster erfüllt die Halle. Die Umgebung ist hell, übersichtlich, aufgeräumt. Ein Bediener kommt, schaut kurz auf eine Maschinensteuerung und geht seiner Wege. Hinter den Anlagen ragt ein Stopa-Lagersystem bis zur Decke. Knapp sieben Meter hoch und rund 65 Meter lang bietet es mit einer Lagerkapazität von rund 1.750 Tonnen 582 Lagerplätze für großformatige Bleche. Das Regalbediengerät (RBG) saust beinahe geräuschlos hin und her, entnimmt Rohpaletten und transportiert sie auf Schienen, alternativ auf Stationswagen, zu einer Maschine oder stellt Paletten mit Halbzeugen sowie fertigen Teilen zurück auf einen freien Lagerplatz. Auf der Rückseite des Stopa-Lagersystems ist es leiser. Hier verrichten zwei automatisierte Biegemaschinen ihren Dienst, die das RBG ebenfalls mit Material versorgt. Auf beiden Seiten läuft alles vollautomatisch, ruhig, aber hochproduktiv ab. Aber das war nicht immer so.
Nur eins oder doch zwei Systeme?
Die Memmert GmbH + Co. hat sich in den vergangenen 85 Jahren zu einem der Technologieführer in der Temperiertechnik entwickelt. Im Jahr 2016 wurde die Produktion im mittelfränkischen Büchenbach bei Nürnberg um eine vierte Halle mit 4.200 Quadratmetern erweitert. Christina Gretschmann, damals Projektleiterin des Neubaus, erzählt: „Uns ging es darum, die lauten Bereiche Stanzen und Biegen auszulagern. Aber wir haben uns auch mehr Transparenz gewünscht, denn in der alten Halle stand das Rohmaterial überall auf der Fläche verteilt und oftmals wussten wir nicht, ob und wo fertige Teile herumstehen. Der Suchaufwand war groß.“ Das Herzstück der neuen Halle sollte daher ein Stopa-Großlagersystem mit ausreichender Kapazität sein, um die insgesamt sechs Stanz- und Biegemaschinen sowie die dazugehörigen Automatisierungskomponenten anzubinden. Für Gretschmann ging es bei der Planung vor allem um die Frage, ob das neue Lager mit einem Regalbediensystem auskommt, oder ob ein zweites benötigt wird. „Unsere Stanzanlagen laufen an sieben Tagen 24 Stunden. Das muss das RBG zuverlässig stemmen.“
Das Regalbediengerät ist entscheidend für die Effizienz innerhalb eines Blechbearbeitungssystems. Es gewährleistet den kompletten Materialfluss zu den angeschlossenen Anlagen und wieder zurück ins Lager. Das RBG ist in der Mitte des Lagers auf Schienen angebracht, die es in die Lage versetzen, Lagerplätze blitzschnell vertikal und horizontal anzufahren. Bei der Projektierung muss es unter Berücksichtigung fertigungsspezifischer Besonderheiten des Kunden so ausgelegt werden, dass Verfahrwege des RBGs und Maschinenwartezeiten möglichst kurz sind.
Ein digitaler Zwilling bringt Übersicht
Der Vorschlag, die Lagersimulationssoftware SimStore einzusetzen, kam von TRUMPF. Michael Schmider, zu dieser Zeit TruConnect Projektmanager bei TRUMPF, erklärt: „Mit SimStore lässt sich auf der Grundlage von kundenspezifischen Projektdaten eine Lagererweiterung ebenso simulieren wie ein ganz neues Lager. Ziel ist es, dass das Material immer genau dann bei der Maschine ist, wenn es benötigt wird.“ Stillstands- und Wartezeiten sollten dabei möglichst nicht vorkommen. Dazu berechnet SimStore die Auslastung beziehungsweise Operationszeiten des RBGs sowie aller angebundenen Maschinen. Hinterlegt werden zudem Schichtmodelle und Verfahrgeschwindigkeiten des RBGs. Wesentlich für ein gutes Ergebnis sind die vom Kunden beigesteuerten Daten. Nach einer Woche Simulation liefert SimStore Berechnungen für das Gesamtsystem sowie für jede einzelne angebundene Komponente. Die Ergebnisse lassen sich als Simulationsbericht exportieren. Übersichtlich zeigen sie die Auslastung des RBGs durch die angebundenen Maschinen, Transportwege, reine Verfahrzeiten sowie durch Warenein- und Auslagerung. Darüber hinaus wird die Auslastung jeder einzelnen Maschine dargestellt.
Mehr Planungssicherheit
SimStore wurde 2008 vom Fraunhofer Institut IPA speziell für TRUMPF entwickelt. Die Software eignet sich in erster Linie zur Beurteilung des Gesamtsystems im Rahmen der Projektierung komplexer Lagerprojekte – also wenn viele Maschinen angebunden oder häufige Materialwechsel die Regel sind. Auch der Vergleich von zwei unterschiedlichen Lagerkonfigurationen ist mit der Software möglich. Oder eben – wie im Fall von Memmert – das Ausloten von Kapazitäten und die Optimierung von Produktionszeiten. „Wir haben bei Memmert Simulationen mit Verfahrgeschwindigkeiten von 100 Meter pro Minute und einmal mit bis zu 150 Meter pro Minute gemacht. Zwei bis drei Prozentpunkte Produktivität ließen sich so noch herauskitzeln“, sagt Schmider. Das wichtigste Ergebnis für Christina Gretschmann war aber die Erkenntnis, dass die Auslastung des RBGs derzeit erst bei 60 Prozent liegt. „Damit liegen wir im grünen Bereich und benötigen bis auf weiteres auch dann kein zweites RBG, wenn unsere Kapazitäten wachsen. In Spitzenzeiten – also morgens, wenn das Rohmaterial eingegeben wird, haben wir maximale Wartezeiten von drei bis fünf Minuten. Das können wir verkraften“, erklärt sie zufrieden.
Der Aufwand, TRUMPF alle benötigten Daten zur Verfügung zu stellen, hat sich für Gretschmann gelohnt: „Vieles, wie beispielsweise Bearbeitungs-, Produktions- und Programmzeiten konnten wir direkt aus den Maschinen ziehen. Anderes, wie die Aufteilung der Schichten und Besonderheiten zu unseren Teilen, haben wir zusammengestellt.“ Eine Arbeit, die mit der neuesten Version SimStore 2.0 entfallen kann, erklärt Schmider: „Damit können wir mit dem Einverständnis des Kunden, alle relevanten Daten via Schnittstelle automatisch von den Maschinen holen.“
Umsatzsteigerung statt Stillstand
Mit der Abwicklung des Gesamtprojekts war Christina Gretschmann hochzufrieden: „Die Forderung unserer Geschäftsleitung war klar: Keine Stillstände während des Aufbaus. Dass wir in dieser Zeit eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent hingelegt haben, zeigt am besten, wie reibungslos die Zusammenarbeit mit TRUMPF und Stopa geklappt hat.“ Und das, obwohl es auch die ein oder andere Herausforderung zu meistern gab: Beispielsweise die Einbindung von zwei Fremdmaschinen mit Beladerobotern ins Gesamtsystem.
Heute läuft alles wie am Schnürchen. Gretschmann: „Alles ist transparenter und die Durchlaufzeiten haben sich durch das automatische Beladen der Maschinen verringert.“ Die Verbindung des ERP mit der TRUMPF Software für die Fertigungssteuerung, TruTops Fab, lässt Christina Gretschmann auch am Wochenende und nachts beruhigt schlafen: Das benötigte Rohmaterial wird von der Maschine angefordert, vom RBG zuverlässig geliefert und anschließend fertig verarbeitet ins Lager zurückverschoben. „Der Staplerverkehr hat deutlich abgenommen, dadurch haben wir auch weniger Abfall durch beschädigtes Material. Und schließlich können sich unsere Mitarbeiter anderen Aufgaben zuwenden. Sie greifen nur noch bei Problemen ein“, sagt Gretschmann und fährt schmunzelnd fort: „Unser Fertigungsleiter bringt es auf den Punkt: Das Gewusel hat ein Ende.“