Aus Maschinensicht ist der Mensch ein Wunder: Mühelos zeichnet er freihändig einen Strich aufs Papier. Er hält ein Ei in der Hand, ohne es zu zerdrücken, und schält es. Lässig spitzt er Stöcke an, auf denen er Marshmallows so übers Feuer hält, dass sie nicht verkohlen.
Das alles ist nur möglich, weil der Mensch über Sensoren verfügt, die per Realtime-Feedback seine Bewegungen überwachen und korrigieren: seine Sinne. Wäre es nicht schön, wenn auch die Maschinen Sinne hätten?
Maschine mit Sinnen
Dann könnten wir endlich aufhören, mühsam jeden ihrer Koordinatenwege zu programmieren, Abläufe zu teachen, misstrauisch Schweißnähte zu zersägen und zu kontrollieren. Wir könnten darauf bauen, dass unsere Maschinen ihre Sache schon gut machen. Ja, das wäre schön. Ist schön.
Denn auch unsere Maschinen werden langsam zu Sinnenträgern. Als das Lasermarkieren aufkam, brauchte der Maschinenbediener eine ultragenaue Spannvorrichtung, um exakt zu markieren. Denn woher sollte der Markierlaser auch wissen, wo der Knopf liegt? Er zielte ja nur blind auf eine Kreuzung zweier Koordinaten und traf, was immer dort herumlag.
Heute hat der Markierlaser ein Kameraauge, erkennt, was vor ihm liegt, und richtet seine Optik so aus, dass die Markierung exakt passt. Das verändert jetzt schon die Art, wie wir produzieren. Und es geht weiter.
Laser fühlen besser
Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Sensoren. Zum einen Überwachungssensoren, die nicht in den laufenden Prozess eingreifen. Ihre Hauptaufgabe ist es, Werte zu liefern für die Qualitätssicherstellung und die Dokumentation. Im Trend liegen Sensoren, die darüber wachen, dass bestimmte Grenzwerte eingehalten werden. Werden die definierten Grenzwerte überschritten, gibt die Maschine Alarm und ein Produktionsleiter kann sofort schauen, wo das Problem liegt.
Zum anderen Regelsensoren: Sie messen einen Wert und greifen in den laufenden Prozess ein. So ändern sie beispielsweise je nach gemessenem Parameter die Laserleistung und korrigieren die Vorschubgeschwindigkeit oder die Fokuslage. Regelsensoren sind komplexer als Überwachungssensoren.
Vor allem Maschinen zur Lasermaterialbearbeitung lassen sich einfach mit Sensoren ausstatten. Die Optik ist ein hervorragender Ort für Sensoren. Von dort aus schauen sie direkt in den Prozess und verfügen über eine einfache Anbindung an das Trägersystem. Da der körperlose Laserstrahl ohnehin nur digital steuerbar ist, lässt er sich besonders leicht in einen um Sensoren ergänzten Regelkreis einbinden.
01 — Mustererkennung
Die Kamera erkennt problemlos die Lage kleinster Pins auf elektronischen Bauteilen, die miteinander verschweißt werden müssen, und meldet die Information an die Fokussieroptik. Besonders interessant ist das beim Verschweißen sogenannter Hair-Pins, die sich zu der Induktionsspule eines Elektromotors zusammenfügen. Beim Lasermarkieren überprüft die Bildverarbeitung, ob die richtige Stelle markiert wurde, und checkt, ob Schrift oder Code lesbar und korrekt sind.
02 — Temperatur
Ein Pyrometer misst die Temperaturveränderungen während des laufenden Prozesses. Zum Beispiel in der Fügestelle beim Laserdurchstrahlschweißen an Kunststoffen: Ist eine bestimmte Sollwärme erreicht, regelt das System die Laserleistung, sodass die Temperatur konstant bleibt.
03 — Fügeweg
Ein induktiver Wegsensor erfasst Zeit und Weg eines Bauteils während des laufenden Prozesses. Beim Laserdurchstrahlschweißen wird damit zum Beispiel gemessen, wie stark sich das oben liegende Kunststoffbauteil absenkt. Ist der gewünschte Weg erreicht, stoppt der Laser. Auf diese Art ist es auch möglich, Bauteiltoleranzen auszugleichen.
04 — Einschweißtiefe
Ein Niedrigkohärenz-Interferometer misst Abstände mit einer Genauigkeit von mehr als einem Zehntelmikrometer. Während des Laserschweißens lässt sich damit die Einschweißtiefe überwachen. So kann die Qualitätskontrolle sicherstellen, dass die Einschweißtiefe genau richtig war — also nicht zu tief und nicht zu gering.
05 — Fügestelle
Eine Hochgeschwindigkeitskamera erkennt beim Schweißen mithilfe von auf die Fügestelle projizierten Linienlasern die Nahtlage und richtet den Scanner aus, bevor der Prozess startet. Die Nahtlageregelung arbeitet berührungslos und in Echtzeit. Sie wird angewandt zum Beispiel bei Kehlnähten im Karosseriebau, bei Stumpfstößen im Getriebeschweißen oder beim Rohrendlosschweißen. Der Schweißprozess wird dadurch beschleunigt und produziert deutlich weniger Ausschuss.
Mehr Geld mit Sensoren
Waren Prozesssensoren bis vor wenigen Jahren noch die Ausnahme, gelten sie heute in vielen Branchen als selbstverständlich, zum Beispiel in der Medizintechnik und im Automobilbau. Die Gründe dafür sind einfach zu verstehen: Sensoren bringen Geld, denn sie sorgen für kürzere Taktzeiten, bessere Qualität, lückenlose Qualitätsüberwachung, weniger Ausschuss und Rückverfolgbarkeit im Feld.
Beim sensorgestützten Remoteschweißen von Karosserieteilen ist die Taktzahl mehr als doppelt so hoch wie beim Schweißen mit Fülldraht. Kameras erkennen beim Schweißen oder Markieren die Lage des Bauteils.
Damit sinken die Genauigkeitsanforderungen an die Halterung und deren Konstruktion wird einfacher und günstiger. Bei Schweißprozessen dokumentieren Überwachungssensoren die Qualität zuverlässig und lückenlos auf der gesamten Nahtlänge und für jedes einzelne Teil. Das ist sicherer als zerstörende Stichprobenprüfungen im Feld. Diese lassen sich somit deutlich
reduzieren oder können auch gleich ganz ausfallen.
Überwachungssensoren liefern Instantmeldungen über jede Fehlschweißung. Die Produktionsmitarbeiter können sich schon beim ersten Schlechtteil um das Problem kümmern, statt am Ende der Schicht festzustellen, dass sie Hunderte Teile wegschmeißen müssen. Regelsensoren arbeiten hart daran, den Ausschuss auf null zu drücken, denn sie können sofort korrigierend eingreifen, wenn etwas schiefläuft.
Trend zur Vieläugigkeit
Die Nachfrage nach immer kleineren, präziseren Bauteilen unterstützt den Trend zur Vieläugigkeit: Je komplexer das Bauteil und je höher die Qualitätsanforderung zum Beispiel an eine Schweißung, desto notwendiger werden Sensoren, die den Prozess exakt überwachen und steuern können.
Das Argument funktioniert auch umgedreht: Erst durch die Kraft der Sensoren werden andere Bauteilgeometrien möglich. Beim Remoteschweißen von Karosserieteilen etwa konnten die Flansche erst schrumpfen, als eine Nahtlageregelung zuverlässig die korrekte Lage der Kehlnähte fand. Die Autohersteller sparen seither Material und Gewicht und sind schneller als vorher.
Die neue Toleranz
Die kleinen Maschinenaugen ändern langsam, aber sicher das Aussehen und die Funktionsweise gesamter Produktionsanlagen. Bisher agierten Maschinen blind. Die Konstrukteure mussten sie jeden Millimeter führen und alles vorausberechnen: Geschwindigkeit, Position des Bauteils, Umriss.
Mit steigenden Anforderungen an die Präzision von Bauteil und Bearbeitung wuchs der Aufwand für die Halterung und Positionierung teilweise ins Absurde. Und um geforderte Toleranzen im Mikrometerbereich zu halten, verstärkten sich die Maschinenrahmen, wurden wuchtiger, komplexer und schwerer.
Sobald die Maschine aber befähigt wird, Kontakt zu ihrer Umwelt aufzunehmen, kann sie auf das Bauteil reagieren.
Die Rahmen dürfen sich auf das Nötigste reduzieren,
werden schlank und klein. Positionierungsvorrichtungen machen sich locker. Die neue Toleranz herrscht während des Prozesses, das Ergebnis ist so exakt wie vorher auch. Etwa beim Laserschweißen: Legt man dem Laser einfach ein Teil irgendwie in die Kabine, kommt er schon zurecht.
Die Big-Data-Mine ist eröffnet
Im Zeichen von Industrie 4.0 haben Werksleiter die Wichtigkeit von Daten längst erkannt. Und sie wollen immer mehr davon. Zuverlässige Datenlieferanten sind natürlich wieder solche Sensoren, die den Produktionsprozess im Blick haben.
Zwar sind vor allem kleine und mittelständische Firmen derzeit noch ein bisschen überfragt, was sie mit all den Daten eigentlich anstellen sollen. Doch die ersten Anbieter machen sich schon daran, clevere Auswertungsdienste für Prozessdaten zu entwickeln.
Das große Ziel ist, mithilfe von Big-Data-Methoden sich anbahnende Probleme im Herstellungsprozess vorauszusehen oder einen Algorithmus zu entwickeln, der mit genügend Datenfutter selbstständig Prozessverbesserungen vorschlägt oder gleich selber durchführen lässt.
Gestern kam Condition Monitoring für einzelne Maschinen, morgen kommt die Zustandsüberwachung fürs ganze Werk und übermorgen die sensorbasierte Produktionsregelung.
Hype-Sensor der Saison
Derweil arbeiten Experten an neuen Sensoren und Sensorkombinationen. Zurzeit versprechen sie sich einiges von interferometrischen Sensoren — den Hype-Sensoren der Saison. Sie nutzen die Interferenz von Lichtwellen, um ganz unterschiedliche Größen zu messen, von der Einschweißtiefe bis hin zur Detektion der zu verschweißenden Naht. Als Kameraersatz zur Positionserkennung ist das Interferometer zurzeit zwar noch teuer, doch die Preise sinken und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Gerätschaften kleiner und günstiger werden.
Denn der Vorteil liegt auf der Hand: Per Interferometrie entstehen dreidimensionale Bilder. Besonders interessant wird das, wenn man Volumina messen möchte, zum Beispiel beim Laserabtragen oder Laserauftragschweißen.
Der Traum vom Nichtstun
Der Traum der autonomen Produktion rückt näher. Besonders die kleineren Betriebe wünschen sich schon lange vereinfachte Produktionsabläufe: Der Bediener legt irgendein Bauteil in irgendeiner Position in die Maschine ein. Diese erkennt dank hinterlegter CAD-Zeichnung sofort, worum es sich handelt und was man von ihr will, und führt die nötigen Schweißungen aus. Der Nutzer muss im Prinzip nichts mehr machen.
Wie beim autonomen Fahren sind wir davon zwar noch eine ganze Ecke weg, aber die Richtung stimmt: Es wird immer entspannter. Eine Sensorleistung, auf die man zum Beispiel sicher nicht mehr lange wird warten müssen, ist die Materialerkennung. Das wird insbesondere das Lasermarkieren auch noch einmal deutlich vereinfachen. Es brechen bequeme Zeiten an.
Bosch, unter anderem einer der größten Zulieferer der Automobilindustrie, lebt von seinem Ruf, höchste Qualitätsstandards bei seinen Produkten zu setzen. Im Waiblinger Werk werden Komponenten für Steuergeräte hergestellt. Beim Kunststoff-Laserdurchstrahlschweißen, der sogenannten modularen Messerleiste, setzt man auf mehrfache Sicherheit: Bosch kombiniert dabei Temperaturregelung mit Fügewegüberwachung. Hubert Hickl, Projektleiter Laserschweißen Messerleiste bei Bosch: „Unser Hauptziel war es, nachgelagerte Kontrollen einzusparen und trotzdem eine höhere, dokumentierte Qualitätssicherheit zu erreichen.“ Ein Diodendirektlaser schweißt Kunststoffmodule auf einen Modulrahmen fest. Ein Pyrometer nimmt die abgestrahlte Wärme während des gesamten Prozesses auf. Gleichzeitig bewegt sich ein Scanner mehrmals entlang der Schweißkontur. Ein Fügewegsensor überwacht das Absenken des Bauteils und beendet das Schweißprogramm bei Erreichen eines vorgegebenen Schweißweges.
Die Messergebnisse werden verknüpft und automatisch dokumentiert. „Dank der genauen Wegabschaltung können wir enge Positionstoleranzen einhalten. Dies ist entscheidend für die nachgelagerten Montageprozesse. Durch die Kombination von Füge- und Temperaturüberwachung hat sich die Fehlerentdeckungswahrscheinlichkeit deutlich erhöht.“
Bild: Robert Bosch GmbH
200-mal pro Sekunde trifft der Laserblitz den zu entfernenden Flugzeuglack. 400-mal pro Sekunde schießt eine Kamera ein hoch aufgelöstes spektroskopisches Bild des Ergebnisses. 400-mal pro Sekunde analysiert eine Software dieses Bild, stellt fest, ob die Grundschicht schon erreicht ist, und regelt daraufhin Position und Geschwindigkeit des Roboterarms sowie die Leistung des CO2-Lasers. Jedes Flugzeug muss regelmäßig entlackt und mit neuem Lack versehen werden. Peter Boeijink, CEO bei dem niederländischen Roboterspezialisten LR Systems, sagt: „Unser großes Ziel ist es, dass unser lasertragender Roboterarm das komplette Flugzeug entlackt — selbstständig, schneller und besser als jeder Mensch. 2018 kommen wir damit auf den Markt.“ Auf dem Weg dorthin waren viele Hürden zu nehmen. Eine davon war die Frage: Woher weiß der Roboter, wann die Schicht abgetragen ist, wann der Grundlack oder gar die hochempfindliche Kompositionsoberfläche erreicht ist? Ein Klassifikationsalgorithmus wertet die Bilder nach zehn Kriterien aus und gibt die Signale direkt an Roboter- und Laser-steuerung weiter. „Die riesigen Datenmengen müssen dabei so schnell bewegt werden, dass ein digitales Feldbussignal für uns viel zu langsam war. Wir wichen daher auf einen analogen Eingang für den Feedback-Controller aus.“ LR Systems baute eine selbstlernende Steuerungssoftware ein: „Der Algorithmus lernt aus seinen Fehlern und beginnt, unsere Kriterien zu verstehen, sie selbstständig anzuwenden und weiterzuentwickeln. Mit jedem Flugzeug wird er klüger und besser.“
Bild: Onno van Middelkoop
Peter Schömig, Gruppenleiter für Schweiß- und Löttechnik bei ZF Friedrichshafen, hat ein klares Ziel: „Wir wollen deutlich weniger zerstörende Prüfungen machen. Die Qualität der Teile muss auch anders sichergestellt werden können.“ Der große Automobilzulieferer ZF hat ein neues interferometrisch überwachtes Laserschweißverfahren für Teile im Antriebsstrang getestet und Schömig empfiehlt es für den Serieneinsatz. Ein sogenannter OCT (Optical Coherence Tomograph) an der Laseroptik schaut während des Tiefschweißens in die Kapillare und misst unterdessen in Echtzeit die erreichte Schweißtiefe — eine direkte Qualitätskontrolle über die gesamte Nahtlänge. „Wir haben es im Antriebsstrang mit extrem hohen Qualitätsanforderungen zu tun, da das komplette Drehmoment des Motors über die geschweißten Teile läuft. Darum ist es für uns ein Mehrwert, wenn wir für jedes einzelne Bauteil die Einschweißtiefe an jeder Stelle kennen und dokumentiert haben. Die aufwendigen metallografischen Schliffe können wir dadurch deutlich reduzieren.“ Stellt der Sensor fest, dass die gewünschte Einschweißtiefe nicht erreicht oder überschritten wurde, schlägt das System Alarm. „Wenn uns der Prozess wegläuft, erkennen wir das also ab Bauteil 1 und nicht erst am Schichtende. So können wir sofort eingreifen und vermeiden die Produktion von Ausschussteilen.“ Den OCT in seiner jetzigen Form sieht Schömig allerdings nur als gute Übergangslösung: „Längerfristig erhoffen wir uns hier einen regelnden Sensor, der die Einschweißtiefe nicht nur zuverlässig feststellt, sondern aktiv dafür sorgt, dass alles stimmt.“
Bild: Holger Riegel