Sie sind leise, sie sind nachhaltig, sie sind Zukunft: Elektrofahrzeuge legten in den vergangenen Monaten einen wahren Turbostart hin: Im ersten Halbjahr 2021 wurden weltweit 2,65 Millionen neue, rein elektrische Fahrzeuge zugelassen. Ihr Herzstück sind Hochvolt-Batteriespeicher und die sie umgebenden Batteriekästen. Letztere schützen die empfindlichen Zellen nicht nur vor den Folgen von Crashs, sondern auch vor Einflüssen wie Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen, die sich negativ auf die Leistung der Batterie auswirken können. Hergestellt werden diese Batteriekästen bisher hauptsächlich aus Aluminiumlegierungen. Die sind leicht und zielen dadurch auf eine möglichst hohe Reichweite der Fahrzeuge ab. Dass das nur eine Seite der Medaille ist, finden die Entwickler des Metall-Prozess-Spezialisten BENTELER Automotive mit Hauptsitz in Paderborn schon lange. Für sie bietet der Werkstoff Stahl und insbesondere Edelstahl trotz seines etwas höheren Gewichts einige Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind, wie Christian Buse, Teamleiter Research & Development der Division Automotive bei BENTELER erzählt: „Für unsere Kunden ist zunehmend der Kostenfaktor wichtig. Er läuft dem Leichtbau immer öfter den Rang ab. Aber Edelstahl punktet nicht nur mit geringeren Materialkosten. Er ist korrosionsbeständig und hat einen hohen Schmelzpunkt. Das kann im Falle eines Fahrzeugbrandes für die Sicherheit der Insassen entscheidend sein.“ Dazu komme, dass der Werkstoff – zumindest Stand heute – in der Herstellung je nach Zulieferer aufgrund des hohen Recyclinganteils im Vergleich zu Aluminium nachhaltiger sei. „Ganz entscheidend ist aber, dass sich Edelstahl grundsätzlich hervorragend mit dem Laser schweißen lässt. Was wir für die E-Mobilität brauchen, ist ein reproduzierbarer Prozess und ein Verfahren, das die hohen Anforderungen an das Dichtschweißen von Batteriekästen erfüllt.“ Beim Fügen von Abgassträngen für Verbrenner machte BENTELER schon positive Erfahrungen mit dem Laserschweißen und Anlagen von TRUMPF. Also wendeten sich Buse und sein Kollege Conrad Frischkorn mit ihrer Idee für Batteriekästen 2020 an den langjährigen Partner.
Know-how über den kompletten Prozess
„Unser Entwicklungsziel war ein Konzept für einen flexiblen und skalierbaren Batteriekasten aus Edelstahl mit bodenintegrierter Kühlplatte. Das von uns neu entwickelte Faltkastenkonzept dient der Crashsicherheit, nutzt den Bauraum der Batterie optimal aus und kommt mit weniger und kürzeren Fügestellen aus“, erklärt Frischkorn. Zur automatisierten Fertigung sind eine Laser-Stanz-Kombianlage, eine Biegezelle sowie eine Laserschweißanlage notwendig. Bei all diesen Technologien verfügt TRUMPF über die entsprechenden Anlagen und das Know-how alle Bearbeitungsprozesse exakt aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus fanden Buse und Frischkorn mit Mauritz Möller vom Branchenmanagement Automobil bei TRUMPF einen Partner auf Augenhöhe. In unterschiedlichen Branchenmanagement Bereichen arbeiten bei TRUMPF jeweils auf ein bestimmtes Gebiet spezialisierte Technologie- und Applikationsexperten. Gemeinsam mit Kunden entwickeln sie neue, richtungsweisende Produkte für die Industrie. Möllers Fokus liegt auf dem Battery Pack, also auf der Antriebsbatterie von Elektrofahrzeugen und deren Komponenten. Die von BENTELER definierte Aufgabe war mehrteilig, so Möller: „Gewünscht war die Unterstützung beim fertigungstechnischen Design eines Batteriekastens mit integrierter Kühlplatte. Passend dazu sollten die TRUMPF Experten die notwendigen Fertigungstechnologien aufeinander abstimmen und eine vollautomatische Prozesskette für die Serienfertigung aufsetzen. Darüber hinaus stand ein schneller und reproduzierbarer Laserschweißprozess zum gas- und heliumdichten Schweißen des Batteriekastens auf der Anforderungsliste.“ Möller und sein Team legen los und stellen schon nach kurzer Zeit eine Lösung vor. Mit der schon vorhandenen, patentierten TRUMPF Technologie BrightLine Weld ist es möglich, Edelstahl auch bei den hohen Geschwindigkeiten einer Serienfertigung spritzerfrei zu schweißen. Das macht die Nachbearbeitung des Bauteils überflüssig und schützt die Maschine und die Fokussieroptik. Am wichtigsten für die BENTELER Aufgabenstellung ist aber, dass sich mit der Technologie perfekte gas- und heliumdichte Nähte erzeugen lassen, wie Möller erklärt: „Die hohe Schweißgeschwindigkeit erfordert eine maßgeschneiderte Einbringung der Wärmeenergie ins Material. Nur so lässt sich ein stabiles Schmelzbad während des Schweißens gewährleisten. Material, das das bei der Bearbeitung wegspritzt, fehlt bei der Bildung der Schweißnaht. Es können sich Poren bilden und genau das verhindert BrightLine Weld.“
Geht nicht, gibt’s nicht
Befeuert durch diesen Erfolg nehmen Buse und Frischkorn gleich die nächste Herausforderung ins Visier. Christian Buse erzählt: „In Sachen E-Mobilität gibt es noch viel Gestaltungsfreiraum. Den nutzen wir in unserer täglichen Arbeit dafür, uns auch mit Lösungen zu beschäftigen, die der Markt nicht heute, vielleicht auch nicht gleich morgen, aber eventuell irgendwann braucht.“ Die Idee, das Batteriegehäuse aus Edelstahl zu fertigen, muss bei Kunden erst noch ankommen. Also machen sich Buse und Frischkorn nun Gedanken darüber, wie sich die positiven Ergebnisse beim gasdichten Schweißen von Edelstahl auch auf das derzeit noch populärere Aluminium anwenden lassen. „Aluminium hat zwar bei unseren Kunden eine hohe Akzeptanz“, erklärt Frischkorn. „Aber vom Versuch, dieses Material mittels Laser dichtschweißen zu wollen, rieten uns die meisten ab.“ Doch davon lassen sich die beiden Entwickler nicht entmutigen, wie Buse berichtet: „Wir handeln nach dem Motto ‚We make it happen‘ und sehen es als unsere Aufgabe, bestehende Prozesse stetig weiterzuentwickeln und Produkte immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Das verschafft uns Vorsprung. Wer erst damit beginnt, etwas Neues zu denken und zu entwickeln, wenn der Markt danach fragt, der ist zu spät dran.“
Bereit sein für das, was kommt
Diese Einstellung haben auch die TRUMPF Technologie- und Applikationsexperten um Mauritz Möller. Sie machen sich an die Arbeit und entwickeln speziell für BENTELER eine ganz neue Technologie: die sogenannte MultiFokus-Optik. Die Kombination von einem TruDisk Laser mit BrightLine Weld plus patentierter MulitFokus-Optik schafft, was bisher nicht gelang: das gasdichte Schweißen von Aluminium. BrightLine Weld teilt den Laserstrahl zunächst zwischen Ring und Kern auf. Die Bearbeitungsoptik splittet ihn zudem in vier einzelne Spots, die alle von der Ring-Kern-Aufteilung überlagert sind. Die Spots sind so zueinander positioniert, dass sie ein kontinuierlich geöffnetes Keyhole erzeugen. Das verhindert Gaseinschlüsse und damit ein Kollabieren der Schweißnaht. Beim Schweißen von Aluminium war das bisher der Knackpunkt.
Erste Tests und CT-Aufnahmen zeigen, dass sich mit dem Verfahren hochfeste, nahezu porenfreie Schweißnähte erzeugen lassen. Buse und Frischkorn arbeiten jetzt an der Validierung der Ergebnisse beim Einsatz in größeren Serien. Buse: „Auch diese Entwicklung sehen wir eher im Rahmen einer Demonstration dessen, was alles möglich ist. In der E-Mobilität gibt es kaum Standards. Alles ist buchstäblich in Bewegung. Und wir möchten auf alles vorbereitet sein.“
Neben der eigenen Einstellung, auch bei Gegenwind nicht einzuknicken und den Kopf in den Sand zu stecken, baut BENTELER wie schon in der Vergangenheit auf Entwicklungspartner mit der gleichen Denke. Das habe viele Vorteile, so Frischkorn: „Wenn spezialisierte Partner ihr Know-how für ein gemeinsames Entwicklungsziel zusammenwerfen, dann ist die Arbeit effizienter, die Entwicklungszeit kürzer und die Kosten fallen geringer aus.“ Letztlich profitierten alle Beteiligten von der Zusammenarbeit ergänzt Buse: „Bei der E-Mobilität ist noch so vieles möglich. Es ist wichtig, in alle Richtungen offen zu bleiben, das schätzen wir auch an TRUMPF.“