Wann dachten Sie zum ersten Mal, dass die Herstellung von Metallpulver eine gute Geschäftsidee sei?
Es war mehr eine Entwicklung als ein Zeitpunkt. Schon in meiner Doktorarbeit 1999 an der Universität Sheffield beschäftigte ich mich mit Metallurgie. Ich untersuchte, wie sich Metalle verhalten, wenn sie ihren Zustand von flüssig zu fest verändern. Dann arbeitete ich für The Welding Institute in England und zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen viel mit Laserauftragschweißen, also LMD. 2007 gründete ich LPW Technology als Ein-Mann-Unternehmen und arbeitete als Ingenieursdienstleister. Bei einem LMD-Projekt für Lufthansa Technik kam mir dann der Gedanke, dass es völlig egal ist, wie gut Maschine und Prozess sind – das entscheidende Potenzial steckt im Metallpulver. Um es klar zu sagen: Wenn man Müll reinpackt, kommt am Ende Müll raus.
Nicht gerade neu der Gedanke, oder?
Stimmt, zugegeben. Aber die Ingenieure haben diesen Aspekt vernachlässigt und lieber an Maschinen und Prozessen herumgetüftelt. Ich denke, das kommt daher, dass man in der konventionellen Metallbearbeitung nicht mehr gewohnt ist, viel über das Material nachzudenken. Halbzeuge sind über die letzten hundert Jahre hinweg ständig optimiert worden. Da gibt es eine Liste von Spezifikationen, man schaut, welche Materialien auf dem Markt die eigenen Anforderungen erfüllen und dann kauft man das preiswerteste. Ganz einfach. Die Leute vergessen, dass das Material der Schlüsselfaktor ist.
Und warum war das Metallpulver Müll, wie Sie sagen?
Wir wussten einfach zu wenig darüber. Wir kannten die Variablen nicht, die den Prozess beeinflussen. Parameter, an denen man sich orientieren konnte, gab es nicht. Es war so, als wolle man einen Kuchen backen ohne Rezept. Beim 3D-Druck, wo man eine Komponente direkt und komplett aus dem Pulver macht, war dies ein noch offensichtlicheres Problem als beim Laserauftragsschweißen.
Und darum gründeten Sie ein Unternehmen für besseres Metallpulver?
Ja und nein. Meinen Ein-Mann-Laden LPW Technology gab es ja schon seit fünf Jahren. Aber 2012 beschloss ich, mich ganz auf das Pulver zu konzentrieren, Leute einzustellen und Räume zu mieten. Das hatte den Vorteil, dass ich auch endlich jemanden engagieren konnte, der sich damit auskennt, ein Geschäft aufzuziehen. Ich denke ja, dass ich als Ingenieur ganz gut bin, aber mit den ganzen geschäftlichen Angelegenheiten, die ein eigenes Unternehmen so mit sich bringt, konnte ich mich nie so recht anfreunden. Es gab auch einen privaten Grund: Als Freelancer war ich viel im Ausland, meistens in Deutschland. 2012 hatte ich genug davon. Ich hatte eine Frau und Kinder und wollte vor Ort sein.
Wie startete Ihr neues Unternehmen?
Wir hatten schon einen etwas verrückten Ansatz, das muss man sagen. Normalerweise ist es so: Wenn man ins Pulver-Business einsteigt, produziert man Pulver und verkauft es. Wir allerdings stellten im ersten Jahr kein einziges Körnchen her. Ich wollte mit meinem Team, das Metallpulver verstehen – und zwar besser als jeder andere. Das erste, was wir einrichteten war also ein Labor. Und wir schauten uns die Lieferkette ganz genau an, um dort die Schwachstellen zu erkennen.
Was haben Sie erforscht?
Wir haben alle existierenden Metallpulver dieser Welt analysiert und uns auf die Nachbearbeitung fokussiert. Wir wollten herausfinden, wie man Form und Größe der Körner kontrolliert. Wie können wir sicher sein, dass wir eine Charge Legierungen später völlig gleichmäßig über alle Behältnisse verteilen? Uns kam es zusätzlich drauf an, von der Endanwendung her zu denken. Wir wollten unseren Kunden nicht wie ein Supermarkt gegenübertreten: Hier ist unser Pulver – nimm es oder lass es. Wir fragen: Was ist dein Problem? Und entwickeln anschließend das passende Pulver für die Anwendung. Dazu muss man viel wissen. Das ist ganz schön verzwickt.
Was ist denn zum Beispiel so verzwickt?
Da fällt mir als erstes das Teufelsteilchen ein.
Teufelsteilchen?
So nennen wir das intern. Jedes Kilogramm Pulver besteht aus rund zwei Milliarden Partikeln. Wie kann man da sicher sein, dass es hundertprozentig frei ist von Kontamination, dass sich kein Teufelsteilchen darin befindet? Wenn jemandem aus der Luftfahrtindustrie fragt, wie viel Kontamination im Pulver er für sicher halte, lautet die Antwort schlicht: null. Naja, nach ein paar Bieren lautet die Antwort: Wir wissen es auch nicht genau. Aber offiziell heißt es immer: null Kontamination. Wir schauen uns also alle Möglichkeiten an, wie das Pulver kontaminieren kann. Während der Herstellung des Pulvers selbst, der Lagerung, des Transports, der Handhabung und während der Produktionsprozesse im Pulverbett des 3D-Druckers, wo sich vielleicht noch Rückstände eines anderen Pulvers befinden. Die größte Gefahr für Kontamination ist aber die Wiederverwertung beim 3D-Druck. Da kommt leicht mal ein Haar, ein Hautpartikel oder sonst was rein.
Also Pulver beim 3D-Druck lieber nicht mehr wiederverwerten?
Nein, das kann nicht die Lösung sein. Der ganze 3D-Druck würde aus ökonomischen und ökologischen Kriterien völlig wahnwitzig, wenn man das übrige Pulver im Pulverbett immer wegkippen müsste. Aber es muss den Kunden bewusst sein, dass es nach zehn oder zwanzig Pulver-Durchgängen einen Effekt auf ihre Komponente haben wird. Selbst wenn man es schaffen würde, es komplett rein zu halten – die Partikel, die vom Laserstrahl nur „gestreift“ werden oder in der Umgebung der aufgeschmelzten Partikel lagen, ändern ihre Oberflächeneigenschaft. Darum bieten wir zum Beispiel eine Software an, die das Qualitätsmanagement des wiederverwertenden Pulvers übernimmt. Die Daten für diese Software stammen alle aus unseren eigenen Experimenten, Analysen und Verständnis des Prozesses.
Wer sind Ihre Kunden?
Wir haben uns von Anfang an auf Luft- und Raumfahrt, Medizin, Gasturbinen, Formel 1 und High-end-Anwender konzentriert. Aus diesen sicherheitskritischen Branchen kommen auch bis heute unsere Kunden.
Das sind alles Branchen mit extrem hohen Anforderungen an Qualität und Sicherheit. Ist es nicht ein bisschen wagemutig, als junges Unternehmen gerade hier anzufangen?
Die Kriterien für Formtoleranz und Kontamination sind wirklich sehr streng, das stimmt. Und es war eine lange, mühselige Reise dorthin. Ich habe aber bewusst entschieden, mit etwas Schwierigem zu beginnen, mit der Luftfahrt. Wenn wir deren Standards erfüllen, können wir die aller anderen auch erfüllen. Es gab auch noch einen zweiten Grund. Es gibt nichts, was ich toller finde als Flugzeuge. Ich gehe oft zu Flugschauen oder einfach nur so zu Flughäfen. Ich liebe Flugzeuge. Und die technischen Herausforderungen der Luftfahrt haben mich schon immer gepackt. Ich begann also mit etwas, das ich liebe. Das macht Spaß und hilft beim Durchhalten.
Haben Sie noch Tipps für andere Firmengründer?
Kenne deine Schwächen. Und stelle Leute ein, die auf diesen Gebieten klüger sind als du. Und: Lass los. Finde eine Struktur, in der deine Mitarbeiter ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Wenn man als Chef überall mitreden und mitentscheiden will, wird man irgendwann zum Flaschenhals, der alle nervt und ausbremst. Hm, ich hätte noch einen Tipp, aber der klingt ein bisschen abgeschmackt.
Lassen Sie ihn uns trotzdem hören, bitte!
Achte darauf, dass du deinen Traum lebst. Ein technisches Unternehmen aufzuziehen, ist kapitalintensiv. Man braucht also viel Geld von anderen Leuten, um zu starten. Auf einmal aber wollen die Investoren und Banken in Geschäftsdingen mitreden – es sei ja schließlich ihr Geld. Da läuft man schnell Gefahr, zu tun, was der Investor will und nicht mehr das, was man sich selbst wünscht. Da muss man höllisch aufpassen. Erfülle nie den Traum der Geld-Leute, wenn es nicht dein eigener ist!
LPW Technology in Runcorn nahe Liverpool stellt spezielle hochqualitative Metallpulver für sicherheitskritische, hochwertige Anwendungen im Additive Manufacturing her. Die Kunden kommen aus der Luftfahrt, Medizin, Automotive und Turbinenbau. Zusätzlich bietet er Dienstleistungen rund um Metallpulver an und Softwarelösung zum Qualitätsmanagement. LPW produziert in Großbritannien und den USA und verfügt über zusätzliche Vertriebsstandort in Deutschland und Italien. Vor kurzem eröffnete in Großbritannien ein Forschungs- und ein Softwarezentrum. 2016 wurde das Unternehmen mit dem Queen’s Award for Enterprise ausgezeichnet.